Das Schlimmste kommt erst noch

Unser Geschäftsführer Guido Gerdes erläutert in diesem Artikel, warum die Schmierstoffpreise allein nicht das derzeit drängendste Problem sind.

Man möchte ja eigentlich nicht der Schwarzmaler sein. Sowohl ich persönlich als auch wir als Unternehmen arbeiten stets lösungsorientiert und sehen in Herausforderungen immer auch Chancen für Innovation und Weiterentwicklung. Wenn ich aktuell den Schmierstoffmarkt speziell im Industriebereich betrachte, komme ich jedoch nicht umhin zu konstatieren: Das Schlimmste steht uns noch bevor. War die Situation bereits in der Vergangenheit angespannt, so sind die Preise durch den Ukraine-Krieg explodiert, auch weil die Verfügbarkeiten stetig schlechter werden.

Schon Anfang Februar meldeten die Mineralölkonzerne Engpässe bei Getriebeölen. Da alle Additivlieferanten auf die gleichen Grundchemikalien zurückgreifen und diese aktuell nicht verfügbar sind, fehlt mittlerweile in vielen Fahrzeugwerkstätten Getriebeöl und Restbestände werden in Gold aufgewogen.

Auch die Preiskurven der Industrieschmierstoffe kennen momentan nur eine Richtung, nämlich aufwärts. So haben die führenden globalen Mineralölkonzerne für Juni/ Juli bereits die zweite große Preisanpassung dieses Jahres angekündigt. Doch ist der Preis der Industrieschmierstoffe aktuell nicht meine größte Sorge. Die Auswirkungen der Russland-Sanktionen werden dieses spezielle Marktsegment in puncto Verfügbarkeit stärker treffen als zunächst befürchtet.

Durch Wasserstoffbehandlung und andere Verfahren produzieren moderne Raffinerien nur noch Brennstoffe und keine Grundöle für die klassischen Industrieschmierstoffe mehr. Aktuelle Motorenöle basieren auf den Grundölqualitäten der Gruppen II und III, die primär in der westlichen und asiatischen Hemisphäre hergestellt werden. Für viele industrielle Schmierstoffspezialitäten werden aber Gruppe I-Qualitäten benötigt, die in nur älteren Raffinerien produziert werden. Große Anteile der europäischen Bedarfe wurden seit Jahren aus den russischen Gruppe I-Raffinerien bedient und fehlen nun. Diese Raffinerien versorgten wesentliche Bedarfe an Bitumen, Wachsen und dickflüssigen Grundölen. Nachdem in den letzten Monaten zunächst die Bestände der Großhändler und Importeure geleert wurden, fehlt jetzt der Nachschub und Alternativen sind nicht verfügbar. Das wiederum führt zu noch höheren Preisen und noch schlechterer Verfügbarkeit. Der Bedarf kann bei Weitem nicht mehr gedeckt werden.

Ohne die zähflüssigen Öle, die sogenannten Brightstocks, können Öle mit höheren Viskositäten nicht eingestellt werden. Auch in der Fettherstellung sind diese Öle weit verbreitet. Darüber hinaus ist die Verwendung der Gruppe I-Qualitäten z.B. in der Metallbearbeitung durchaus sinnvoll und notwendig.

Hohe Preise sind also nur ein Symptom eines viel größeren Problems, für welches zumindest in den nächsten Monaten keine Lösung absehbar ist: Was nicht produziert wird, kann nicht verkauft werden.

Die seriösen Lieferanten der Branche arbeiten nahezu ausnahmslos mit strengen Allokationen. Auch Kaiser Söhne achtet seit acht Wochen auf eine strikte Mengenkontrolle, wobei der absolute Fokus auf der konstanten Versorgung der bestehenden Kunden liegt.

Bis dato haben wir für alle Probleme und Engpässe eine Lösung gefunden. Unsere Anwendungstechniker vor Ort mussten jedoch engpassbedingt bereits einige Produktalternativen einführen. Wenn die Versorgung durch Standardlieferanten zu gering ausfiel oder Havarien unerwarteten Bedarf verursachten, konnten wir bisher stets schnell und fachkompetent für adäquaten Ersatz sorgen. Auch durch einen höheren Fokus auf Ölanalysen und standzeitverlängernde Maßnahmen haben wir viele Neuansätze nach hinten verlagert. Das funktioniert natürlich nur, wenn man die technischen Produkteigenschaften kompetent beurteilen und Leistungsreserven einschätzen kann. Alle Marktbegleiter in Deutschland, die ebenfalls mit einem fachkompetenten Kundenservice arbeiten, konnten so bisher Produktionsstillstände bei Industriekunden weitestgehend vermeiden.

Und was jetzt?

Vor 15 Monaten habe ich in einem LinkedIn Artikel bereits gesagt, dass wir als Schmierstoffpartner der Industrie unseren Fokus auf eine ganzheitliche Betrachtung der Produktionsketten legen müssen. Auch wenn in Sachen Verfügbarkeit aktuell nur Beten hilft, empfehlen wir allen Industriekunden eindringlich, ihre Priorität auf Mengeneinsparung und Standzeitverlängerung zu setzen. Insbesondere dort, wo Schmierstoffe als “flüssiges Werkzeug” für die Produktion unersetzlich sind, wird sich Fachkompetenz vor Ort an der Maschine, und zwar auf Kunden- und Lieferantenseite, als überlebenswichtig erweisen.

Ich persönlich bin sehr froh, dass wir, genau wie einige unserer Marktbegleiter, den Schritt weg vom reinen Händler hin zum Industrie- und Prozessberater bereits vor Jahren gegangen sind. Denn genau das bedeutet für unsere Kunden nun ein großes Plus an Sicherheit.

Kategorie: Allgemein
Eintrag vom 03.06.2022


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Guido gerdes

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